TSV Milbertshofen e.V.
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Die Prügelknaben der Nation(Kicker Magazin)

Pressestelle Mil Fußball, 20.03.2013

Die Prügelknaben der Nation(Kicker Magazin)

Bericht des Kicker Sportmagazins.

Die Zahl der Unparteiischen geht in ganz Deutschland dramatisch zurück. Das belegt die Statistik mehr als deutlich. Doch hinter jeder nackten Zahl steht ein menschliches Schicksal. In der Schiedsrichter-Gruppe Dachau
waren es im November 2012 sogar drei, die ihre Ämter niedergelegt haben. Der Vorsitzende Jürgen Schreier (39), sein Stellvertreter Andreas Hitzlsperger (40), Bruder von Ex-Nationalspieler Thomas, und Daniel Maurer (24), ein junger, engagierter Referee, gaben auf. Das Trio war zermürbt von den Problemen, mit denen Leute an der Basis kämpfen. Körperliche Angriffe begegnen ihnen immer wieder, verbale Aggressionen sind an der Tagesordnung. „Die Verbandsspitze“, so Schreier, „will das aber nicht wahrhaben.“

So vermisst der Inhaber eines Küchenstudios wie seine beiden Mitstreiter Schutz und Beistand. Auch relativ geringe Strafen für die Übeltäter sind ihm ein Dorn im Auge, ebenso die negativen Vorbilder im Profi fußball. Ein permanenter Kampf gegen Windmühlen. Doch im Vordergrund steht für Schreier die Gewalt: „Ich habe in den sieben Jahren, in denen ich mein Amt ausgeübt habe, gesehen, wie sie immer mehr zugenommen hat. Bedrohung, Beleidigung und körperliche Gewalt stehen auf der Tagesordnung. Doch in der Vorrunde dieser Saison sind die Dinge noch einmal eskaliert.“Andreas Hitzlsperger ergänzt: „Wir haben den Bayerischen Fußballverband immer wieder auf die Missstände hingewiesen und um Hilfe gebeten. Aber es wurde immer nur abgewiegelt.“ Was Daniel Maurer persönlich widerfahren ist, und was letztendlich auch zum Ende seiner noch jungen Karriere als Schiedsrichter geführt hat, schildert er mit ebenso bewegenden wie beängstigenden Worten: „Der erste schwerwiegende Vorfall war im Jahr 2009. Ich habe nach zwei Platzverweisen einen Elfmeter gegen die Heimmannschaft verhängt. Da haben mich Spieler von der Seite geschubst, was zur dritten Roten Karte
geführt hat. Danach habe ich das Spiel abgebrochen. Ein Funktionär hat mich dann an der Schulter und am Hals gepackt und mir die Pfeife aus der Hand geschlagen. Ich bin in die Schiedsrichterkabine geflüchtet. Dort haben Zuschauer gegen die Tür getreten,gegen die Fensterscheibe geschlagen. Da hast du Angst um Gesundheit und Leben. Nach zehn Minuten hat zum Glück jemand die Polizei gerufen, die auch nur fünf
Minuten später da war.“ Damit fand der Spuk ein Ende. Zum Rücktritt führten dann die Vorgänge während eines U-19-Spiels in der Kreisliga München. „Nach einem Platzverweis hat mir der Spieler angedroht: Ich finde raus, wo du wohnst, dich mache ich kalt. Weil nur wenige Zuschauer da waren, habe ich nicht abgebrochen. Auf dem Weg vom Platz hat mich der Vater angesprochen und wollte, dass ich die Rote Karte nicht im Spielbericht erwähne. Vor der Kabine haben mich die Spieler angerempelt“, erzählt Maurer und betont, dass beides keine Ausnahme war.
Auf 80 bis 100 beziffert der 24-Jährige die Zahl der Einsätze, die er zuletzt pro Saison hatte. Das heißt, dass er häufig drei bis vier Spiele an einem Wochenende zu leiten hatte. Da blieb nicht mehr viel Freizeit für den Angestellten einer Versicherung. Und finanziell attraktiv ist dieses Hobby auch nicht. Für die Leitung desU-19-Spiels, in dem Maurer so übel beschimpft und angegangen worden war, gab es die feststehendeAufwandsentschädigung von 15 Euro, noch einmal 5 Euro weniger sind es bei Partien mit jüngeren Jahrgängen. Dazu kommt eine Benzinpauschale von 30 Cent pro gefahrenem Kilometer. Der ADAC, Deutschlands größter Automobilclub, hat Ende 2012 die Kosten für Pkw errechnet. Demnach schlägt ein Kleinwagen wie zum Beispiel der Opel Corsa unter Berücksichtigung von Wertverlust, Wiederanschaffungskosten,
Benzingeld und anderer relevanter Kosten mit 32,2 Cent zu Buche. Da werden die Fahrten zu den Stätten von Beschimpfung und Bedrohung schnell zum Zuschussgeschäft. In ihrer Funktion als Vorsitzender und Stellvertreter
der Schiedsrichter-Gruppe haben JürgenSchreier und Andreas Hitzlsperger persönlich keine Aggression erlebt.


„Aber wenn man erfährt, dass ein 14-jähriger Schiedsrichter, den man für ein Spiel angesetzt hat, in diesem massiv bedroht wurde, fragt man sich schon, ob man das verantworten kann. Holland hat gezeigt: Es ist nichts mehr auszuschließen“, sagt Hitzlsperger und bezieht sich dabei auf das traurige Beispiel Richard Nieuwenhuizen, der am 2. Dezember 2012 bei einem Jugendspiel seines Sohns freiwillig zur Fahne gegriffen hatte und zu Tode
geprügelt wurde. Den 40-Jährigen ärgern prinzipiell die geringen Strafen, die in Bayern oft für Spieler ausgesprochen werden, die gegenüber dem Schiedsrichter tätlich werden: „Früher gab es häufig ein Jahr Sperre, heute kommen viele mit sechs, sieben Spielen davon.“ Ganz extrem ist das Beispiel eines Fußballers vom SV Weißblau Allianz München (siehe Ausriss). Dieser wurde „wegen einer Tätlichkeit gegenüber dem Schiedsrichter
sowie dem Verschulden des Spielabbruchs“ mit einer Sperre vom 4. 11. 2012 bis zum 27. 1. 2013
bestraft. Wegen der Winterpause fielen in diesen Zeitraum gerade einmal zwei Partien. Jürgen Schreier kennt aus seiner Zeit als Vorsitzender im Raum München „fünf, sechs Vereine, bei denen es immer gefährlich werden konnte“. Dort sei die Mitgliederstruktur problematisch. Hitzlsperger, der als Lebensmittelgroßhändler häufig in Thailand, Vietnam oder China zu tun hat und in Deutschland viele türkische und griechische Restaurants beliefert, sagt vorsichtig: „Das Problem ist sicher, wenn ein Verein einen hohen Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund hat, der nur einer Nationalität angehört und sich dann abkapselt.“ Als Gegenbeispiel nennt
er den TSV Milbertshofen, bei dem sehr viele ausländische Mitbürger spielen, „aber dort wird
an Integration gearbeitet“. THOMAS ROTH


Quelle:Kicker Sportmagazin


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